Seiten

Donnerstag, 16. April 2015

Nutzungsverträge aus DDR-Zeiten

Rechtsanwalt Achim Bedenk
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Bedenk & Dr. Heun | Rechtsanwälte
Mehringdamm 42
10961 Berlin - Friedrichshain-Kreuzberg

Telefon: +49 30 81 82 19 29 0
Telefax:  +49 30 81 82 19 29 1
kanzlei [at] bedenk-heun.de

www.bedenk-heun.de 


Nutzungsverträge aus DDR-Zeiten



Übersicht über die Folgen des zum 3. Oktober 2015 auslaufenden Kündigungsschutzes für zu DDR-Zeiten begründeten Nutzungsverhältnisse an Grundstücken


Zum 4. Oktober 2015 steht ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Anpassung des Rechts der DDR (ZGB) an die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) an, der durch zwei im Jahr 1994 in Kraft getretenen Gesetze, dem Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) und dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) geregelt ist. Hintergrund der Notwendigkeit der Anpassung ist die Tatsache, dass nach dem ZGB die bauliche Nutzung eines Grundstücks, d.h. die Bebauung mit einem Gebäude, nicht an das Eigentum an dem Grundstück geknüpft war. Das Grundstück wurde im Wege eines Nutzungsvertrages überlassen, ohne das Eigentum daran zu übertragen. Das Grundstück konnte mit einem Gebäude bebaut werden, das im Eigentum des Nutzers stand. Demgegenüber sieht das BGB zwingend vor, dass der Eigentümer eines Grundstücks stets auch Eigentümer des mit dem Grundstück verbundenen Gebäudes ist.

Durch das SchuldRAnpG wurde in seinem § 23 der Versuch unternommen, durch unterschiedliche Kündigungsfristen den Interessen des Nutzers an der Weiternutzung des Grundstücks und den Interessen des Grundstückseigentümers an einer Eigennutzung gerecht zu werden. Mit dem 4. Oktober 2015 beginnt die vierte und vorletzte Phase des Anpassungsprozesses. Ab diesem Tag können die Nutzungsverträge nach Maßgabe der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen gekündigt werden; einer Rechtfertigung bedarf es nicht mehr. Für die Frage, welche Voraussetzungen der allgemeinen Bestimmungen (insbesondere bzgl. Kündigungsfristen) gelten, ist maßgeblich, ob es sich bei den Nutzungsverträgen nach der Überführung in das System des BGB um Mietverträge oder Pachtverträge handelt. Ein Pachtvertrag kann nur bis zum dritten Werktag eines halben Jahres des Pachtjahres zum Schluss eines Pachtjahres gekündigt werden; ein Mietvertrag bis zum dritten Werktag eines Monats zum Ende des übernächsten Monats. Entscheidender Unterschied zwischen einem Pacht- und Mietverhältnis ist die Tatsache, dass bei einem Pachtvertrag zusätzlich zur Gebrauchsüberlassung auch die sog. Fruchtziehung, d.h. die Erträge und Erzeugnisse eines Grundstücks, z.B. die Gartenbauerzeugnisse gestattet ist.

Nach einer wirksamen Kündigung des Vertrages fällt das Eigentum an dem Gebäude in das Eigentum des Grundstückseigentümers; der nach dem BGB vorgesehene Rechtszustand wird dadurch wieder hergestellt. Für den Nutzer endet sowohl das Nutzungsrecht an dem Grundstück, als auch das Eigentumsrecht an dem Bauwerk. Als Ausgleich für den Verlust des Eigentums hat der Grundstückseigentümer den Nutzer mit dem Zeitwert des Bauwerks im Zeitpunkt der Rückgabe des Grundstücks zu entschädigen. Dies setzt allerdings voraus, dass das Gebäude gem. den Rechtsvorschriften der DDR errichtet war und dass der Nutzer nicht Anlass zur Kündigung aus wichtigem Grund gegeben hat (z. B. Zahlungsverzug). Der Zeitwert wird regelmäßig nach dem Sachwertverfahren ermittelt und birgt einiges Konfliktpotential.

Außerdem kann der Nutzer eine Entschädigung verlangen, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk zum Zeitpunkt der Rückgabe erhöht ist. Das kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann in Frage, wenn ein bestandsgeschütztes Gebäude auf einem Grundstück errichtet wurde, das an sich nicht zur Bebauung zugelassen ist (z.B. Außenbereich). In diesem Fall kann die Entschädigung den Wert des Gebäudes auch übersteigen. Der Nutzer ist auch zur Wegnahme des Bauwerks, d.h. zum Abtransport berechtigt, was selten vorkommen wird. Außerdem kann der Nutzer eine Entschädigung für Anpflanzungen verlangen. Schließlich kann der Nutzer auch eine Entschädigung für sonstige Vermögensnachteile verlangen, die ihm durch die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses entstanden sind, wie etwa Kosten für die Beschaffung einer Ersatzpachtfläche.

Die Entschädigung kann der Nutzer allerdings nur verlangen, wenn der Eigentümer innerhalb der Investitionsschutzfrist kündigt. Diese beginnt mit Ablauf der Kündigungsschutzfrist (3. Oktober 2015) und währt sieben Jahre, also bis zum 3. Oktober 2022. Während der Investitionsschutzfrist kann sich der Nutzer der Kündigung nicht mehr widersetzen, behält aber seinen Anspruch auf Entschädigung. Nach Ablauf des 3. Oktober 2022 fällt das Eigentum an dem Gebäude bei Kündigung entschädigungslos an den Eigentümer des Grundstücks.

Zu betonen ist, dass es lediglich ein Recht des Eigentümers zur Kündigung gibt. Solange der Eigentümer den Nutzungsvertrag nicht kündigt, besteht er unbefristet fort. Aus Sicht eines Nutzers besteht also erst Handlungsbedarf, wenn der Eigentümer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht.

Der Nutzer auf der anderen Seite hat das Recht, das Vertragsverhältnis jederzeit unter den allgemeinen gesetzlichen Bedingungen (s.o.) kündigen. Kündigt er, kann er ebenso Entschädigungen nach den oben dargestellten Grundsätzen verlangen.

Falls der Nutzer eine Kündigung durch einen Ankauf des Grundstücks abwenden will, kann er dies unter den üblichen Voraussetzungen tun, insbesondere muss der Grundstückseigentümer zustimmen, und der Preis muss frei ausgehandelt werden.

Bei Vertragsbeendigung ist der Nutzer zwar nicht zum Abriss des von ihm errichteten Bauwerks verpflichtet. Falls der Grundstückseigentümer das Bauwerk abreißen lassen will, hat er jedoch die Hälfte der Abrisskosten zu tragen, entweder

1.      wenn das Vertragsverhältnis von ihm beendet wurde oder

2.   wenn nach Ablauf der Investitionsschutzfrist, also nach dem 3. Oktober 2022 vom Grundstückseigentümer gekündigt wird oder

3.  wenn das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund (z.B. Zahlungsverzug) vom Grundstückseigentümer gekündigt wird oder

4.      wenn der Grundstückseigentümer kündigt und innerhalb eines Jahres nach Besitzübergang das Bauwerk abreißt. (Falls der Eigentümer das Bauwerk also länger als ein Jahr nutzt, hat sich der Nutzer nicht an den Abrisskosten zu beteiligen. Für die Übergangszeit besteht eine gewisse Unsicherheit, die sich nur durch Rücksprache mit dem Grundstückseigentümer vermeiden lässt). Der Grundstückseigentümer hat dem Nutzer den beabsichtigten Abriss des Bauwerks rechtzeitig anzuzeigen, so dass dieser dann die Beseitigung selbst vornehmen kann.


Zusammenfassend muss noch einmal betont werden, dass mit dem Ablauf des 3. Oktober 2015 lediglich ein Kündigungsrecht besteht, d.h. es ändert sich für den Nutzer dann nichts, wenn der Grundstückseigentümer nicht kündigt; die zu DDR-Zeiten geschlossenen Nutzungsverträge gelten vielmehr unverändert und unbefristet fort. Falls der Grundstückseigentümer kündigt, bestehen folgende Möglichkeiten für den Nutzer:

1.   Erwerb des Grundstücks vom Grundstückseigentümer, was dessen Bereitschaft zur Übereignung voraussetzt;

2.      Entschädigungsansprüche für den Verlust des Eigentums an dem Bauwerk; ggf. müssen die hälftigen Kosten für einen Abriss des Bauwerks übernommen werden;

3.      Abschluss eines neuen, gewöhnlichen Miet- oder Pachtvertrages über das Grundstück und das Gebäude (diese Möglichkeit sollte jedoch erst nach einer Einigung über den Entschädigungsanspruch in Erwägung gezogen werden).


Mit Ablauf des 3. Oktobers 2015 geht also kein Verlust von Vermögenswerten einher, jedoch kann eine Kündigung das Ende des Nutzungsrechts an dem Grundstück und dem Gebäude bedeuten. Ab dem 4. Oktober 2022 wird eine gravierendere Rechtsänderung eintreten, da der Grundstückseigentümer dann berechtigt sein wird, das Nutzungsverhältnis entschädigungslos zu kündigen und im Falle eines Abrisses in jedem Fall die hälftigen Abrisskosten zu fordern.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen